• Curvy Supermodel – mein Fazit •

• Curvy Supermodel – mein Fazit •

Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, gestern bei „Curvy Supermodel“ reinzuschauen. Schon lange wurde sich ein solches Format gewünscht, ein Pendant zu “Germany’s next Topmodel”, aber eben in Plus Size. Gelandet ist die neue Supermodel-Castingshow bei RTL2, dem Trailerpark der Fernsehsender – vielleicht auch mit die schlechteste Entscheidung. Ein bisschen frage ich mich ja, wie das Ganze auf ProSieben gelaufen wäre, also wirklich parallel. Eventuell etwas professioneller, aber ich denke, mein Fazit wäre am Ende das gleiche.

Vor Ausstrahlung der Sendung und auch vor dem Casting wurde ich ein paar Mal gebeten, das Format vorzustellen – ich habe das bewusst vermieden. Mir war klar, dass der Sender allein schon nicht ideal für ein solches Format ist, aber ich bin tatsächlich fast ohne Erwartungen an die Sendung rangegangen. Leider wurden diese sogar unterboten.

Eine zusammengefasste Version meines Fazits hab’ ich gestern Abend bereits auf → Facebook und → Instagram hochgeladen, aber ich wollte unbedingt auch nochmal ausführlich auf das ganze Thema eingehen.

Das Grundproblem – die Erwartungshaltung der Zuschauer

Seit Jahren wünscht sich der geneigte GNTM-Zuschauer das Gegenteil der Sendung – Models mit Kurven sollen es sein, „echte Frauen“ (ihr wisst, → wie sehr ich es hasse – leider wurde das „echt“ auch direkt für den Slogan der Sendung, „Echt. Schön. Kurvig.“, übernommen), die sich vor der Kamera zeigen. Erwünscht ist eine dicke Schönheit, aber auf keinen Fall adipös (wir wollen ja schließlich kein → Übergewicht glorifizieren!) oder zu dünn, um sich „curvy“ zu nennen! Gleichzeitig sollte sie aber auch das Mädchen von nebenan sein – denn so wird der Traum für uns alle greifbar.

Wir wollen Vielfalt im Fernsehen sehen: kleine Frauen, große Frauen, welche mit blauen Haaren, andere mit „Pudding“ (um eine der Modelanwärterinnen zu zitieren, die ihren Körper als solchen bezeichnet),…
Aber so läuft die Modelbranche eben nicht – und deshalb auch nicht diese Sendung.

Gesucht wird bei „Curvy Supermodel“ ein Model. Eines, das im Anschluss auch als solches arbeiten wird und Erfolg haben soll. Und genau hier müssen wir anfangen, Models von den Nicht-Models zu trennen.

Ja, eine Größe 38 ist nicht automatisch „curvy“, nicht dick und erst recht nicht fett. In der Modebranche gilt sie aber nunmal bereits als „plus size“, denn das ist alles, was nicht „size zero“ ist. Und diese „Idealgröße“ endet allerspätestens bei Größe 36.

Ein Model, das aktiv auf den Laufstegen der Welt arbeiten will, sowohl in der regulären Branche als auch im Plus-Size-Bereich hat gewisse Standards einzuhalten – dazu gehört die Mindestgröße, aber eben auch ein Körper, der „in Form“ ist. Übersetzt heißt das: mindestens 1,75 m, vorzugsweise „Sanduhrfigur“, straffe Haut und möglichst keine Makel.
Als Model bist du die Leinwand des Designers – nicht deine eigene. Entweder du entsprichst seinen Erwartungen und hältst sie ein oder eben nicht. Dann bekommst du aber den Job nicht. So läuft das Ding.

Klar wäre es toll, auch kleine Frauen auf den wichtigen Fashion Shows zu sehen, bunte Haare und auch „Puddingkörper“, die nicht superfest sind, aber solange die Modebranche bedeutet, dass Models ein gewisses „Gefühl“, einen Traum, eine Fantasie, verkaufen, ist das die Realität. Nicht jede Frau kann Model werden. Und ja, das ist auch vollkommen okay so!

Wer also in einer Sendung, die ein Model sucht, das am Ende auch tatsächlich als solches im Arbeitsalltag landen soll, leuchtende Vielfalt erwartet, der wird leider (!) enttäuscht werden. Denn um diese Erwartungen zu erfüllen, müsste das Konzept komplett umgeändert werden in „Schöne Frauen mit eigener Persönlichkeit“ – und gewinnen sollten dann auch alle Teilnehmerinnen, denn Vielfalt kennt kein Ideal.

„Ich habe kein Selbstwertgefühl und zeige meinen Körper nicht gern – also will ich Model werden“

Was mich durchgehend am meisten an „Curvy Supermodel“ aufgeregt hat, waren ein paar der Frauen, die allen Ernstes zum Casting gehen und dann erst mal vor laufender Kamera aufzählen, was sie alles an sich selbst nicht mögen. „Eigentlich mag ich nur mein Gesicht“ oder so ähnlich lauteten die Worte einer Kandidatin. Meine Frage: wenn du dich hässlich findest und nicht zeigen willst, warum willst du dann Model werden? Model – ein Job, in dem du immer und ständig nach deinem Aussehen bewertet und gebucht wirst. Ein Job, für den ein gesundes Selbstvertrauen, eine ordentliche Portion Selbstwertgefühl und vor allem auch ein dickes Fell (wenn man nicht gebucht wird – aufgrund seines Aussehens, denn der Charakter ist beim Modeln nicht das wichtigste Kriterium!) das A und O sind.

Wird an der Stelle erwartet, dass eine Castingshow das nicht vorhandene Ego aufwertet? Eine Fernsehsendung auf RTL2? Ernsthaft?

Da lob‘ ich mir ja glatt die Kandidatinnen von GNTM, die da auftauchen mit den Worten „Meine Freunde finden mich so hübsch, da dachte ich, ich mach‘ halt mal mit!“ und das dann eben auch so durchziehen. Die erst mal auf egal schalten, sich dann aber doch auch freuen, wenn sie weiter sind.

Aber Model werden wollen und sich selbst nicht gut „verkaufen“ können – schlechte Voraussetzungen.

Auch wenn ich verstehe, dass man am Ende auch bei manchen Mädels die Entwicklung sehen soll: eine, die von vornherein beim Bademodenwalk partout nicht ohne Kaftan laufen will und dann auch den Rest der Sendung immer wieder nur bedeckt neben all den anderen steht, hat meines Erachtens den Jobwunsch klar verfehlt und sollte dann auch nicht weiterkommen.

Bodyshaming ist keine Einbahnstraße!

Wie oft predige ich es hier auf dem Blog – ALLE Körper sind gute Körper! Und wenn ich für die eine Seite einstehen will, darf ich nicht die andere runtermachen. Weder Fatshaming noch Skinnyshaming ist akzeptabel. Und dennoch fallen die ganze Sendung über immer wieder die Seitenhiebe auf die dünne Modelseite – die üblichen Metaphern à la “Bohnenstange” und “Skelett”. Und dann ist da die eine Kandidatin, die stolz den Mund aufreißt, um mitzuteilen, dass sie hier ist, weil sie „keinen Bock hat so dünn zu sein wie die ekelhaften Hungerhaken in der anderen Sendung“. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was ich dazu groß sagen soll. Dass sowas überhaupt ausgestrahlt wird, zeigt aber wiederum, auf welchem Niveau sich „Curvy Supermodel“ eben bewegt. Da hilft auch kein siezender Glööckler, der irgendwie respektvoll sein will.

Darf’s ein bisschen Mitleid sein?

Ja, das Schicksal der einen Kandidatin ist scheiße, nennen wir es beim Namen. Einen Freund zu haben, der mit dem Mist nix zu tun haben will, ist mies. Wenn er dir dann auf die freudige Nachricht, dass du im Finalcasting bist, mitteilt, dass du dann halt „die Schönste der Nicht-Schönen“ bist, ist es schlicht asozial. Die Zuschauer fragen sich allesamt, wieso Michi mit diesem Arschloch überhaupt zusammen ist – Michi weint.

Denn ja, so ist es eben – die Dicke in der Opferrolle macht sich im Fernsehen besser als eine starke Frau. So reiht sich dieses Trauerspiel ein bei „Pudding“ und „bis auf mein Gesicht ist eigentlich alles an mir eine Baustelle“ und Michi sieht beim Gruppenshooting so traurig aus wie Bambi, als er seine Mama verlor.

Und ja – ich finde das richtig blöd, denn Michi (und auch die anderen!) hat keinen Grund dazu, sich so dermaßen zu verkriechen und klein zu machen, während andere ihren Mund nur aufbekommen, um überheblich zu sein und hässliche Dinge über andere, primär die Dünnen, zu sagen.

Ich hätte es mir sehr gewünscht, wenn das Klischee der dicken Frau, die mit sich selbst unzufrieden ist, nicht in der Sendung aufgetaucht wäre. Das Klischee der Frau, deren Freund sie „zu fett“ findet. Das Klischee der dicken Frau, die es „ganz viel Überwindung“ kostet, das Strandkleid wegzulassen. “Curvy Supermodel” will eine Revolution sein – und zeigt am Ende doch erst mal, wie beschissen es den Dicken geht, bevor sie dank der Sendung (Hallelujah!) vom hässlichen Entlein zum strahlend schönen Schwan werden. Meines Erachtens kontraproduktiv.

Stattdessen hätte ich gern (mehr – denn ein paar waren ja doch auch dabei!) Frauen gesehen, die sagen „Ich finde mich toll, ich zeige das, ich will Model werden und dafür bin ich hier!“. Manche haben das super rübergebracht, manche etwas zu arrogant, andere leider absolut gar nicht. Aber auch da: ich bin gespannt, wie es sich entwickelt. Ob ich die Sendung allerdings wirklich weiterschauen will, weiß ich noch nicht.

Sex sells.

Ja, der gute alte Klassiker. Ich will den Grundsexismus der gesamten Sendung (und das ist ja auch nicht anders als bei GNTM und den üblichen anderen Castingshows auch) gar nicht ansprechen – denn dann sollte es generell solche Formate nicht geben. Aber was mir schwer missfallen hat, war dieser ständig auf ekelhafte Art sexistische Juror, der immer wieder Adjektive wie „heiß“ und „geil“ rausbringt, wenn es ums Bewerten der aktuellen Kandidatin geht.

Auf der anderen Seite – Favoritin der v.a. männlichen Zuschauer, aber gleichzeitig auch der Aufreger der Gesamtheit, weil sie Größe 38/40 trägt – “Babycurvy” Polina. Wunderschön, „perfekte Figur“, Modeltyp. Aber eben auch – in meinen Augen – etwas zu ordinär für’s Modeln. Da wird hier ein bisschen getwerkt, dort ein bisschen mit Schlafzimmerblick am (selbstverständlich durchtrainierten – wo kämen wir denn da hin? Ich hab’ meinen lieben → Bloggerkollegen und Plus-Size-Model Claus vermisst!) Male-Model gefummelt. Und das ist natürlich „heiß und geil“! Ich lasse das mal so stehen, aber: für mich sollte ein Model nicht ständig das komplette Erotikrepertoire abspielen. So wie es auch ein gewisses Vokabular an den Tag legen sollte (nicht ständig “scheiße” und Konsorten sagen) und Etikette nicht mit Aufklebern verwechselt.

Und was ist jetzt die Message?

Also zum Einen hätten wir da das Problem mit der Erwartungshaltung – wie erwähnt wurde sich etwas anderes gewünscht als das, was jetzt ausgestrahlt wird. Das war, glaube ich, auch auf Seite der Teilnehmerinnen so, denn wenn ich überlege, wie viele Damen dort aufgetaucht sind, die unzufrieden mit sich selbst waren, scheint nicht so wirklich klar gewesen zu sein, dass hier ein Model gesucht wird und nicht das nette Mädchen von nebenan, das halt einfach nur nicht den “perfekten” Körper hat.

Davon ausgehend, dass sich ja nun (siehe Social Media) mit dem falschen Ausgangspunkt etwa 99% der Zuschauerinnen mit den Models vergleichen wollen (weil: „ich könnte ja jetzt auch Model werden!“), läuft auch dieser Punkt in die falsche Richtung, denn was man auf Facebook, Twitter und Co. so liest, ist: „die sind ja alle gar nicht curvy, sondern normal!“ und damit der liebste Satz des Abends: „38 ist doch nicht dick!!!“. Denn wenn das Mädchen vom Fernseher körperlich genauso aussieht wie das auf dem Bildschirm und das dann als “curvy” oder gar dick bezeichnet wird, ist das ja schließlich eine Beleidigung! Die Erkenntnis: viele nehmen solche Formate auch generell einfach viel zu persönlich – ohne ein Teil davon zu sein. Models können nicht und sollten auch nicht unsere Vorbilder sein.

Liebe Zuschauerinnen (ja, das geht primär an die Frauen), solange „dick“ und ähnliche Adjektive als Beleidigung gesehen werden und das das Schlimmste ist, was ein Mensch in unserer Gesellschaft sein kann; solange ihr euch durch die Zahl in eurer Kleidung definiert und diese entscheiden lasst, was dick ist und was nicht; solange ihr euch mit Models vergleichen, aber die Modebranche nicht verstehen wollt; solange ihr nach Vielfalt schreit, aber Extreme ausschließt (die ein Teil davon sind!); solange ihr von der Modelbranche erwartet, dass diese euer Ego pusht; solange ihr selbst euch als „Problemzone“ und „Baustelle“ seht – solange werden solche Sendungen niemals eure Erwartungen erfüllen. Und ihr selbst auch nicht.

Vor allem das ständige Vergleichen mit anderen wird keine Einzige von euch weiterbringen. Wie heißt es so schön? „Die Schönheit einer anderen Frau bedeutet nicht, dass du keine vorweisen kannst.“ – das Gras mag zwar auf der anderen Seite grüner sein, aber das heißt nicht, dass deins nicht gut genug ist.

Ich wünsche mir starke Frauen, die sich gegenseitig unterstützen. Ich will, dass wir uns alle gleichwertig schön fühlen, egal ob dick oder dünn. JEDER Körper ist schön und jeder sollte das Recht haben, sich schön zu fühlen. DAS will ich im Fernsehen und generell in allen Medien sehen, auch wenn das Wunschdenken ist.

Body Positivity beginnt allerdings bei uns selbst. Ein gutes Körpergefühl lernen wir nicht von einer Fernsehsendung oder Tipps in einer Zeitschrift (denn vor allem die Medienbranche lebt von unseren Selbstzweifeln und dem Selbstoptimierungsdrang). Wir lernen es, indem wir uns selbst ansehen und dankbar für unseren Körper sind, ihn akzeptieren und gleichermaßen akzeptieren, dass es auch andere Körperformen gibt, die genauso wunderbar und einzigartig sind.

#Blubbel#Curvy Supermodel#nachgedacht#Plus Size Model
Written by Luciana
Hello everyone, my name is Luciana, I'm 27, and the creative mind of "Lu zieht an." I was born in Germany but I'm half Brazilian, that's why you can read this blog in German and English - but feel free to write and ask me anything in Portuguese. I love and live fashion, am obsessed with sunglasses and bright lipsticks and the world's biggest sushi and steak lover. Follow me for daily updates on Instagram (@luziehtan). ♥
3 comments
  • Ich habs mir gar nicht angeschaut, weil ich mir auch das Pendant nicht (mehr) ansehe. Ich bin mit den echten Supermodels aus den 80ern aufgewachsen und von denen war keine superdürr, alle hatten durchaus Weiblichkeit und Sexiness zu bieten. Dann kam der sogenannte Heroin-Chic und auf einmal sind die Designer auf die Magermodels abgefahren. Nun soll auch das Gegenteil uns noch happy machen. Weder noch ist der Fall. Ich finde dick nicht schön und keine gesunde Lebenseinstellung, sorry, und ich finde zu dünn ebenso nicht schön und nicht gesund. Eine Sendung mit ganz durchschnittlichen Frauen im Model-Alter von Anfang bis Mitte 20 wäre näher an der Realität. Diese Damen tragen meistens 36-42 auf einer Grösse von ca 172-175 cm,
    Cindy hat ein hübsches Gesicht, ihren Körper möchte ich nicht, da bin ich mit meinem nach 52 Jahren ohne Diätknechtschaft aber mit mässigen Sport viel glücklicher. Ein Vorbild sollte auch sie nicht sein.

    • ganz deiner meinung. hab mich genau das gleiche gefragt mit diesen ganzen mädels die kein selbstbewusstsein hatten. warum geht man dann dahin?!
      der einzige der sich da wegen was ganz sicher schämen sollte ist der unmögliche freund dieser michi. idiot.

      • Mich haben sehr ähnliche Dinge an der Sendung gestört wie dich. Schlimm fand ich aber auch dieses ‚curvy aber bl0ß keine Cellulite‘. Natürlich hast du Recht: es wird ein Model gesucht, Models sollen eben ‚perfekt‘ sein, ob nun mit 10kg zu viel oder zu wenig. Trotzdem. Hat mich geärgert.
        Ich fand die Sendung sehr mäßig, aber eins bleibt hängen: Ich fand die Damen alle unheimlich attraktiv – obwohl ich mit meinem eigenen Bauch doch oft hadere. Warum die Damen dennoch praktisch die gesamte Sendezeit im Bikini rumlaufen mussten, erschließt sich mir nicht so recht… Als Model „darf“ man vielleicht keine Cellulite haben, der Job besteht sicherlich aber auch nicht nur darin, zu zeigen, dass eben diese Cellulite nicht vorhanden ist.

        Liebe Grüße,
        Lieselotte von http://www.lieselotteloves.wordpress.com

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