• Private XVIII | #metoo •

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* Warnung – Opfer von sexuellen Übergriffen möchten das hier vielleicht nicht lesen *

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Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich hab’ bereits in → diesem und → diesem Private-Post über sexuelle Belästigung geschrieben, aber ich hab’ das Gefühl, dass es mehr zu sagen gibt, mehr Geschichten zu erzählen. Es ist Zeit, dieses Problem noch öffentlicher und greifbarer zu machen, damit endlich etwas passiert. Denn so geht es einfach nicht mehr weiter.

Nach Alyssa Milanos Tweet wegen des aktuellen Harvey Weinstein Skandals waren die Reaktionen enorm. Auch ich hab’ die Worte “me too” auf meinem privaten Facebook-Account gepostet, weil ich – und ich wage es, das zu sagen – wie jede Frau sexuell belästigt wurde. Nicht nur ein oder zwei Mal, es passiert jeden einzelnen Tag. Nur weil ich online bin.

Wenn ich zurückdenke, würde ich sagen, dass ich das erste Mal mit 15 Jahren sexuell belästigt wurde, eigentlich war es sogar ein sexueller Übergriff, während eines einwöchigen Praktikums, das wir wegen der Schule machen mussten. Ich hatte mich entschieden, zu einem Reisebüro zu gehen, das auch eine Poststelle mit drin hatte. Der Besitzer der Agentur war ein Freund meiner Eltern. Sein Sohn, damals 30 Jahre alt, hat sich um die Poststelle gekümmert. Natürlich fand ich ihn süß und interessant (denn mit 15 sind ältere Typen immer spannender als die dummen Jungs um einen herum – zumindest sah ich das so), aber ich hätte niemals mit dem gerechnet, was während dieser Tage passieren sollte. Ich hab’ es nie rausgefordert. Eines Tages war ich allein mit ihm, hab’ alte Reisekataloge für seinen Vater sortiert, als er plötzlich hinter mir auftauchte und meinen Nacken küsste. Zuerst war ich geschmeichelt. Ich wusste es nicht besser. Wir haben uns geküsst und in der Mittagspause hat er mich nach Hause mitgenommen, um bei seiner Mutter vorbeizuschauen, einer guten Freundin meiner Mutter – und dann hat er mich ein Stockwerk weiter hoch gebracht, in seine Wohnung. Wo er wollte, dass ich meine Hand auf seinen Penis lege. Ich hab’ mich geweigert, gesagt, dass ich das nicht will. Er hat versucht, mich zu überreden, meinte, dass es nicht schlimm wäre, nahm meine Hand und legte sie auf seinen erigierten Penis, über der Hose. Ich habe mich geschämt und war verwirrt, ich wollte das nicht. Die Situation war seltsam und ich hab’ mich dabei nicht gut gefühlt. Die letzten zwei Tage in der Agentur waren komisch, ich fühlte mich dreckig und angeekelt. Nur Jahre später hab’ ich meinen Eltern erzählt, was passiert war. Das war definitiv die schlimmste Story von allen, in meinen 27 Jahren auf dieser Erde als Frau.

Mir haben Bauarbeiter hinterhergerufen, während ich am hellichten Tag durch die Stadt gelaufen bin. Auf einer Teeny-Party im “E-Werk” hat mir ein Junge von hinten sein T-Shirt über den Kopf gestülpt und seinen Schwanz an meinem Hintern gerieben, bevor er wortlos verschwunden ist. Während ich allein an der Haltestelle in unserem kleinen Dorf auf den Bus gewartet habe, haben LKW-Fahrer immer abgebremst und gehupt, wenn sie an mir vorbeigefahren sind – ich war schätzungsweise 16, als es am öftesten passiert ist. Ein weiterer Kerl hat mir immer an die Brüste gefasst, während wir uns geküsst haben, obwohl ich immer wieder gesagt habe, dass ich das nicht will und er aufhören soll.

Und dann sind da noch die Unmengen an Typen in den sozialen Medien, die Mehrheit aus arabischen Ländern, die mir immer wieder Penisbilder schicken, nach Nacktfotos fragen, mir Heiratsanträge machen, seltsame Sex-Angebote schicken (ein 17-jähriger hat mich neulich gefragt, ob ich ihn entjungfern will) und andere “Liebesbekundungen”. Das ist mein täglich Brot auf Instagram und Facebook. Nur, weil ich Bilder von mir poste. Und offensichtlich, weil ich dick bin und damit ihren Fetisch anspreche und es verdiene, zu hören, dass sie “mein Arschloch trockensaugen” wollen.

Das ist nicht okay. Und was noch schlimmer ist, ist die Diskussion darüber, was Frauen tun können, um das zu verhindern. NEIN! Es liegt nicht an uns Frauen. Es sind die Männer. Ich sage nicht, dass alle Männer sexuelle Belästiger sind. Nicht alle von ihnen machen so eine Scheiße, aber alle stecken da mit drin und alle müssen etwas daran ändern. Die, die nicht in sexuelle Belästigung involviert sind, sollten etwas tun anstatt zuzuschauen und es zu ignorieren. Lehrt eure Freunde, sagt ihnen, wenn etwas falsch läuft. Es ist ja nicht so als würden Männer und Jungs ständig Scheuklappen tragen und das alles nicht mitbekommen. Sie ziehen es nur vor, nichts zu sagen, weil das der einfachste Weg ist. Aber das ist das Schlimmste, was ihr tun könnt. Schweigen, wenn es eine Situation gibt, in der man für jemanden einstehen sollte – das muss sich ändern!

Wir müssen unsere Kinder erziehen. Unseren Söhnen beibrigen, dass das alles nicht in Ordnung ist. Unseren Töchtern beibringen, dass sie sich nicht fürs Schweigen entscheiden sollten, wenn es passiert. Wir müssen unseren Kindern Respekt beibringen, wie man andere behandelt, wie man ein “Nein” akzeptiert (und dass ein “Nein” nicht immer gleich bedeutet, dass man von jemandem total abgelehnt wird und es somit nicht heißt, dass man beleidigend und aggressiv und – im schlimmsten Fall – ein Vergewaltiger werden muss). Wir müssen Männern beibringen, dass Kleidung keine Einladung ist. Kleidung macht dich nicht zum Vergewaltiger, sondern dein widerlicher Verstand.

Wir müssen darüber sprechen. So oft es eben notwendig ist. Bis sich etwas ändert. Wir müssen die Generation #metoo beenden. Ich will, dass meine Freunde sicher sind. Ich will selbst sicher sein. Und wenn es bedeutet, dass ich darüber schreiben muss, ein Mal, zwei Mal, drei Mal oder sogar öfter, um etwas zu ändern, dann werde ich das tun. Ich will nicht schweigen, ich will dieses Problem nicht ignorieren. Und ich werde immer meinen Mund aufmachen um zu schreien, wenn es mir passiert, wenn es anderen passiert.