• Private XIX | Unapologetically me. •

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Photos: Sung-Hee Seewald

Bei Interviews ist “Hast du dich schon immer in deinem Körper wohlgefühlt?” so gut wie immer eine der ersten Fragen. So als wäre es eine Meisterleistung, mit sich selbst zufrieden zu sein oder als müsste ich lügen und/oder mich dafür schämen – weil ich dick bin. Und mich deshalb schlecht fühlen sollte. Dankeschön!

Ich weiß natürlich, dass es nicht gerade das Einfachste auf der Welt ist, sich (vor allem nackt) im Spiegel zu betrachten und zu sagen “Hey, ich bin toll so wie ich bin!”, wenn dir alles und jeder ständig und zu jeder Zeit eintrichtert, dass du es nunmal nicht bist – es sei denn, du änderst dieses und jenes und vor allem: du nimmst ab. Denn nur dünn bist du ein wertvoller Teil dieser Gesellschaft, akzeptiert und toleriert, schön und begehrenswert. Bist du dick, ist das beste “Kompliment”, das man bekommen kann, dass man ein hübsches Gesicht hat – meistens wird dann aber noch nachgetreten mit einem beiläufigen “Wenn du dünn wärst,…” plus beliebiger positiver Entwicklung im Leben. Sei es bei den Männern, beim Job, egal wo: bist du dünn, bist du automatisch besser. Und wenn du dann dünner bist, merkst du, dass es das gar nicht mal so sehr wert war, denn wenn du grundsätzlich nicht mit dir zufrieden bist, werden das die paar Kleidergrößen weniger auch nicht ändern. Lediglich die Diätindustrie freut sich einen Ast, denn sie hat einen Jünger mehr, den sie bekehrt hat und in ihrer “Sekte” aufnehmen konnte, für die Kalorien oder Punkte zählen so heilig ist und zur Erleuchtung führt wie zwölf “Ave Maria”. Ist es nicht traurig, ständig nur negativ über Essen und sich selbst nachzudenken? Ist es das wirklich wert?

Jetzt war ich vor über 8 Jahren, am Anfang des Blogs, natürlich um einiges dünner. Zwar nicht dünn-dünn, aber deutlich schlanker als jetzt. Damals trug ich im Durchschnitt Kleidergröße 38, heute 44-48. Für manche, die mich ab und zu mal darauf ansprechen, scheint das eine Katastrophe schrecklichsten Ausmaßes zu sein, sie sind entsetzt und davon überzeugt, dass das für mich ja eigentlich eine Art Weltuntergang sein müsste, haben vollkommenes Unverständnis dafür, wie “sowas” doch nur passieren konnte, und bleiben dann doch immer ein bisschen verwirrt zurück, wenn ich nicht genauso verstört bin wie sie. Denn es ist für mich wirklich nicht schlimm.

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• Private XVIII | #metoo •

• Private XVIII | #metoo •

* Warnung – Opfer von sexuellen Übergriffen möchten das hier vielleicht nicht lesen *

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Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich hab’ bereits in → diesem und → diesem Private-Post über sexuelle Belästigung geschrieben, aber ich hab’ das Gefühl, dass es mehr zu sagen gibt, mehr Geschichten zu erzählen. Es ist Zeit, dieses Problem noch öffentlicher und greifbarer zu machen, damit endlich etwas passiert. Denn so geht es einfach nicht mehr weiter.

Nach Alyssa Milanos Tweet wegen des aktuellen Harvey Weinstein Skandals waren die Reaktionen enorm. Auch ich hab’ die Worte “me too” auf meinem privaten Facebook-Account gepostet, weil ich – und ich wage es, das zu sagen – wie jede Frau sexuell belästigt wurde. Nicht nur ein oder zwei Mal, es passiert jeden einzelnen Tag. Nur weil ich online bin.

Wenn ich zurückdenke, würde ich sagen, dass ich das erste Mal mit 15 Jahren sexuell belästigt wurde, eigentlich war es sogar ein sexueller Übergriff, während eines einwöchigen Praktikums, das wir wegen der Schule machen mussten. Ich hatte mich entschieden, zu einem Reisebüro zu gehen, das auch eine Poststelle mit drin hatte. Der Besitzer der Agentur war ein Freund meiner Eltern. Sein Sohn, damals 30 Jahre alt, hat sich um die Poststelle gekümmert. Natürlich fand ich ihn süß und interessant (denn mit 15 sind ältere Typen immer spannender als die dummen Jungs um einen herum – zumindest sah ich das so), aber ich hätte niemals mit dem gerechnet, was während dieser Tage passieren sollte. Ich hab’ es nie rausgefordert. Eines Tages war ich allein mit ihm, hab’ alte Reisekataloge für seinen Vater sortiert, als er plötzlich hinter mir auftauchte und meinen Nacken küsste. Zuerst war ich geschmeichelt. Ich wusste es nicht besser. Wir haben uns geküsst und in der Mittagspause hat er mich nach Hause mitgenommen, um bei seiner Mutter vorbeizuschauen, einer guten Freundin meiner Mutter – und dann hat er mich ein Stockwerk weiter hoch gebracht, in seine Wohnung. Wo er wollte, dass ich meine Hand auf seinen Penis lege. Ich hab’ mich geweigert, gesagt, dass ich das nicht will. Er hat versucht, mich zu überreden, meinte, dass es nicht schlimm wäre, nahm meine Hand und legte sie auf seinen erigierten Penis, über der Hose. Ich habe mich geschämt und war verwirrt, ich wollte das nicht. Die Situation war seltsam und ich hab’ mich dabei nicht gut gefühlt. Die letzten zwei Tage in der Agentur waren komisch, ich fühlte mich dreckig und angeekelt. Nur Jahre später hab’ ich meinen Eltern erzählt, was passiert war. Das war definitiv die schlimmste Story von allen, in meinen 27 Jahren auf dieser Erde als Frau.

Mir haben Bauarbeiter hinterhergerufen, während ich am hellichten Tag durch die Stadt gelaufen bin. Auf einer Teeny-Party im “E-Werk” hat mir ein Junge von hinten sein T-Shirt über den Kopf gestülpt und seinen Schwanz an meinem Hintern gerieben, bevor er wortlos verschwunden ist. Während ich allein an der Haltestelle in unserem kleinen Dorf auf den Bus gewartet habe, haben LKW-Fahrer immer abgebremst und gehupt, wenn sie an mir vorbeigefahren sind – ich war schätzungsweise 16, als es am öftesten passiert ist. Ein weiterer Kerl hat mir immer an die Brüste gefasst, während wir uns geküsst haben, obwohl ich immer wieder gesagt habe, dass ich das nicht will und er aufhören soll.

Und dann sind da noch die Unmengen an Typen in den sozialen Medien, die Mehrheit aus arabischen Ländern, die mir immer wieder Penisbilder schicken, nach Nacktfotos fragen, mir Heiratsanträge machen, seltsame Sex-Angebote schicken (ein 17-jähriger hat mich neulich gefragt, ob ich ihn entjungfern will) und andere “Liebesbekundungen”. Das ist mein täglich Brot auf Instagram und Facebook. Nur, weil ich Bilder von mir poste. Und offensichtlich, weil ich dick bin und damit ihren Fetisch anspreche und es verdiene, zu hören, dass sie “mein Arschloch trockensaugen” wollen.

Das ist nicht okay. Und was noch schlimmer ist, ist die Diskussion darüber, was Frauen tun können, um das zu verhindern. NEIN! Es liegt nicht an uns Frauen. Es sind die Männer. Ich sage nicht, dass alle Männer sexuelle Belästiger sind. Nicht alle von ihnen machen so eine Scheiße, aber alle stecken da mit drin und alle müssen etwas daran ändern. Die, die nicht in sexuelle Belästigung involviert sind, sollten etwas tun anstatt zuzuschauen und es zu ignorieren. Lehrt eure Freunde, sagt ihnen, wenn etwas falsch läuft. Es ist ja nicht so als würden Männer und Jungs ständig Scheuklappen tragen und das alles nicht mitbekommen. Sie ziehen es nur vor, nichts zu sagen, weil das der einfachste Weg ist. Aber das ist das Schlimmste, was ihr tun könnt. Schweigen, wenn es eine Situation gibt, in der man für jemanden einstehen sollte – das muss sich ändern!

Wir müssen unsere Kinder erziehen. Unseren Söhnen beibrigen, dass das alles nicht in Ordnung ist. Unseren Töchtern beibringen, dass sie sich nicht fürs Schweigen entscheiden sollten, wenn es passiert. Wir müssen unseren Kindern Respekt beibringen, wie man andere behandelt, wie man ein “Nein” akzeptiert (und dass ein “Nein” nicht immer gleich bedeutet, dass man von jemandem total abgelehnt wird und es somit nicht heißt, dass man beleidigend und aggressiv und – im schlimmsten Fall – ein Vergewaltiger werden muss). Wir müssen Männern beibringen, dass Kleidung keine Einladung ist. Kleidung macht dich nicht zum Vergewaltiger, sondern dein widerlicher Verstand.

Wir müssen darüber sprechen. So oft es eben notwendig ist. Bis sich etwas ändert. Wir müssen die Generation #metoo beenden. Ich will, dass meine Freunde sicher sind. Ich will selbst sicher sein. Und wenn es bedeutet, dass ich darüber schreiben muss, ein Mal, zwei Mal, drei Mal oder sogar öfter, um etwas zu ändern, dann werde ich das tun. Ich will nicht schweigen, ich will dieses Problem nicht ignorieren. Und ich werde immer meinen Mund aufmachen um zu schreien, wenn es mir passiert, wenn es anderen passiert.

• Private XVII | Single •

• Private XVII | Single •

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Photos: Katharina Kerwer

Es gibt Posts, die schreiben sich nicht so leicht, wie man denkt. Der heutige Post ist einer davon. Ich bin immer noch nicht bereit, euch zu erzählen, was genau passiert ist, denn es ist eine lange und verstörende Geschichte und ich werde einige Zeit brauchen, um die richtigen Worte dafür zu finden. Aber jetzt gerade habe ich das Gefühl, dass ich endlich bereit bin, zu schreiben, dass ich wieder Single bin.

Es ist hart, diese Worte nach so langer Zeit in einer Beziehung, nach einer Ehe, die nicht mal drei Jahre gehalten hat, zu lesen, aber ich bin bereits an einem Punkt angelangt, an dem ich den schlimmsten Teil überstanden habe und mich selbstbewusst genug fühle, um diese Nachricht mit euch zu teilen.

Mit 27 wieder Single zu sein kommt definitiv unerwartet. Es ist seltsam und macht keinen Spaß und ich wünschte, ich wäre es nicht, denn ich bin auf jeden Fall ein Mensch, der ungern Zeit allein verbringt. Trotzdem lerne ich gerade, allein zu sein und ich lerne auch, wie ich meine eigene Vertrauensperson sein kann. Wie ihr euch vorstellen könnt, hat mich die Trennung dazu gebracht, die Therapie zu beginnen, von der ich euch bereits im Juni erzählt habe. Das war ein wichtiger Schritt in meiner Entwicklung. Wie ich euch schon erzählt hatte, habe ich bereits seit langer Zeit mit Depressionen und Angststörungen gekämpft und etwas so Schreckliches wie das, was jetzt passiert war, hat mich definitiv in den schlimmsten Zustand geführt, in dem man sich befinden kann.

Obwohl ich noch nicht ganz bereit bin, euch mit mir auf diese Geschichte meiner Reise zu nehmen, meinen Neustart, hab’ ich das Gefühl, dass ich mich auf einem guten Weg befinde und dass er mich zu einer besseren Version von mir selbst führt. Obwohl ich es hasse, allein zu sein (und das bin ich eigentlich gar nicht, da ich momentan bei meinen Eltern lebe und mich beschützt und geliebt fühle), bin ich mir ziemlich sicher, dass das alles eine gute Sache für mich ist – es gibt mir eine neue Chance, mich selbst kennenzulernen und mich von der Depression und viel zu viel Angst zu einer starken und selbstständigen Frau zu entwickeln – und ich mache bereits viele neue Schritte.

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• Private XVI | Embrace •

• Private XVI | Embrace •

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Photo: “Embrace” / CinemaxX PR

CinemaxX hat mich freundlicherweise am 11. Mai dazu eingeladen, “Embrace” mit ein paar anderen zauberhaften Frauen (beste Begleitung für diesen Film!) zu schauen. Ich weiß, dass das schon ein bisschen her ist, aber natürlich will ich ein paar Worte zum Film und was ich darüber denke, verlieren.

Ihr wisst alle, dass Body Positivity mein “Täglich Brot” ist. Das Thema ist mir sehr wichtig und wenn andere Frauen die gleiche Botschaft mit mir teilen, macht mich das sehr glücklich. Dass der Dokumentarfilm “Embrace” den Weg in die deutschen Kinos gefunden hat, ist so toll, auch wenn es ziemlich enttäuschend war, dass er in den meisten Kinos, die ihn ausgestrahlt haben, leider nur ein Mal an einem einzigen Tag gezeigt wurde. Diese Dokumentation sollte Pflichtprogramm für junge Menschen sein – vor allem natürlich Mädchen, aber auch Jungs. Denn auch die kennen den Kampf mit Body Shaming und Selbsthass. Und wenn nicht, dass lernen sie vielleicht eine wichtige Lektion über Frauen und wie es ist und sich anfühlt, in einem Körper zu leben, der nie gut genug ist – bis man sich für sich selbst dazu entscheidet, dieses Gefühl zu verändern und sich selbst zu lieben.

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